Frühzeitige Einbindung aller Betroffenen ist zentral für unser Verständnis von Data Governance. So können Interessenkonflikte aufgrund von unterschiedlicher Wert- und Risikowahrnehmungen frühzeitig erkannt und gelöst werden (Grafenstein, 2022). Beteiligung ist nicht auf datengetriebene Vorhaben beschränkt. Sie ist mittlerweile fester Bestandteil bei der Planung städtischer Maßnahmen. Hier spielt insbesondere informelle Beteiligung eine wesentliche Rolle. Doch insbesondere formelle Beteiligung sollte attraktiver gestaltet werden, dafür gibt es normativen Handlungsspielraum. In diesem Kapitel klären wir, was wir unter Beteiligung verstehen und wie diese in Verwaltungsvorhaben am besten umgesetzt werden kann.
INHALT
- Was ist Beteiligung und wieso ist sie nötig?
- Wert- und Risikovorstellungen durch Beteiligung ermitteln
- Was braucht eine erfolgreiche Beteiligungsstrategie?
- Beteiligung kategorisieren: Tiefe und Intention
- Tiefe der Beteiligung
- Intention der Beteiligung
- Beispiele für Öffentlichkeitsbeteiligung bei datengetriebenen Vorhaben
Was ist Beteiligung und wieso ist sie nötig?
Viele Disziplinen verfolgen unterschiedliche Ansätze der Akteurs- oder Stakeholderbeteiligung. Im Design werden Nutzer*innen für die Lösungsentwicklung herangezogen, während in der Wirtschaft Beteiligung beispielsweise zum Definieren von Werten durchgeführt wird. Der Begriff Beteiligung ist daher mit vielerlei Definitionen und unterschiedlichen Verständnissen besetzt. Die folgenden Absätze befassen sich ausschließlich mit der Beteiligung von betroffenen Akteuren im Verwaltungsprozess. In der Regel bezieht sich das auf die Öffentlichkeit. Damit einbegriffen sind aber auch Organisationen der Zivilgesellschaft oder wirtschaftliche Akteure.
Grundsätzlich meint Öffentlichkeitsbeteiligung eine „Beteiligung von Privatpersonen ohne Mandat an politischen Aushandlungsprozessen“ (Umweltbundesamt 2013, S. 130). Diese kann zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung beitragen, die Akzeptanz von Vorhaben erhöhen und dadurch auch die Effizienz eines Prozesses steigern.
Die Notwendigkeit, die Betroffenen in kommunale Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden, lässt sich auch an der großen Anzahl von Bürgerprotesten und wirkmächtigen Bürgerentscheiden, jenseits von rein datengetriebenen Maßnahmen beobachten (vgl. Bertelsmann Stiftung 2013, S. 11). Zuletzt machte Soziologe Steffen Mau außerdem eindringlich darauf aufmerksam, Beteiligung insbesondere in Ostdeutschland in die politische Entscheidungsfindung einzubinden.
Eine Übersicht unterschiedlicher fachlicher Ansätze der Beteiligung findest du hier:
Wert- und Risikovorstellungen durch Beteiligung ermitteln
Im datengetriebenen Verwaltungshandeln kann es aufgrund unterschiedlicher Wert- und Risikovorstellungen bezüglich der Daten zu Interessenkonflikten zwischen den Stakeholdern kommen (vgl. von Grafenstein, 2022). Sollen in kommunalen Maßnahmenprozessen Entscheidungen auf Basis von Daten getroffen werden, ist eine frühzeitige Beteiligung der Betroffenen ein zielführendes Instrument, um die Wert- und Risikovorstellungen aufzunehmen, abzugleichen und darauf mit entsprechenden Lösungen zu reagieren. Außerdem sichert eine Beteiligung zunächst die Qualität der Daten und damit auch der Maßnahme an sich und stärkt die Legitimität des Vorhabens.
Treten im Laufe des Prozesses Interessenkonflikte aufgrund verarbeiteter Daten auf auf, kann dies die Verwaltung vor große Herausforderungen und erheblichen Mehraufwand stellen:
Mehr über die Data Governance-Probleme erklären wir hier.
Was braucht eine erfolgreiche Beteiligungsstrategie?
Beteiligung ist kein Selbstzweck, sondern sollte immer in einen übergeordneten Prozess mit einem konkreten Ziel und einem klar definierten Ergebnis eingebettet sein. Für den Erfolg eines Vorhabens ist es entscheidend, dass alle Stakeholder über geeignete Beteiligungsformate zum richtigen Zeitpunkt in den Prozess eingebunden werden. So können sie ihre Interessen zu einer bestimmten Fragestellung oder einem Problem artikulieren und darauf aufbauend Lösungen für entstehende Interessenkonflikte entwickeln.
Um deinen Maßnahmenprozess möglichst effektiv durch unterschiedliche Beteiligungsformate zu begleiten, empfehlen wir eine Beteiligungsstrategie. Eine solche Strategie sollte folgende Aspekte berücksichtigen, die sich im Rahmen der Beteiligung in unserem Forschungsprojekt als besonders wichtig herausgestellt haben:
Auf einen Blick:
- Frühzeitig beteiligen!
- Formelle Beteiligung nutzen!
- Entscheidungsträger:innen beteiligen!
- Auf Sorgen und Ängste der Öffentlichkeit reagieren.
- Die Öffentlichkeit für ihre formellen Beteiligungsmöglichkeiten sensibilisieren.
- Die Beteiligung und Kommunikation zentral organisieren.
Das sind die zentralen Ergebnisse unserer Maßnahmenwerkstatt. Was es damit auf sich hat und wie du ein solches Format selbst durchführen kannst, erklären wir dir hier: Maßnahmenwerkstatt: Reallabor Beteiligung
Zur Videodokumentation unserer Maßnahmenwerkstatt:
Beteiligung kategorisieren: Tiefe und Intention
Um formelle und informelle Beteiligungsformate zu vergleichen und sinnvoll miteinander zu kombinieren, können zunächst analytische Kategorien zur Unterscheidung informeller Beteiligungsmethoden genutzt werden. Neben den jeweiligen organisatorischen Rahmenbedingungen in einer Kommune sind hier insbesondere die Tiefe und die Intention der Beteiligung entscheidende Faktoren (vgl. Rohr et al. 2017, Bertelsmann Stiftung 2012, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2011). Diese Parameter helfen dabei, die für die Auflösung auftretender DG-Probleme optimalen Beteiligungsformate für die jeweiligen Prozessphasen zu eruieren.
Tiefe der Beteiligung
Formelle wie informelle Beteiligungsformate unterscheiden sich zunächst hinsichtlich der Tiefe der Mitwirkung der Öffentlichkeit. Die Gestaltungsverfügung der Teilnehmer*innen wird im Forschungsdiskurs in Stufen unterschieden (vgl. Bertelsmann Stiftung 2016, S. 15ff.).
Zur Analyse der Tiefe formeller und informeller städtischer Beteiligungsprozesse bietet das dreistufige Modell vom Institut für Partizipatives Gestalten (IPG) einen niederschwelligen Einstieg:
Intention der Beteiligung
Ein weiterer bedeutender Parameter bei der Auswahl des geeigneten Formats ist die Intention, bzw. das Ziel, auf das die Beteiligung abzielt. In dem Konzept werden für informellen Beteiligung die Zielrichtungen Legitimität, Qualität, Empowerment und Demokratie unterschieden (vgl. Rohr et al. 2017, S. 38).
Das Fördern demokratischer Prinzipien ist ein Querschnittsziel aller Formate.