Verwaltungen halten die Daten, die sie benötigen, nicht immer selbst. Für die einzelne Kommunen ist es nicht in jedem Fall möglich oder sinnvoll, alle erforderlichen Daten, die für die vorgeschriebene Datenqualität notwendigen Systeme (z.B. bestimmte Sensoren) oder die Kompetenzen für die Verarbeitung dauerhaft vorzuhalten. In der Konsequenz sind Verwaltungen dann für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf Daten von Dritten angewiesen. Die vorgestellten Data Ownership-Modelle helfen dir dabei, besser zu verstehen, wer in welchem Fall über welche Daten verfügt und unter welchen Bedingungen du auf Daten von anderen zugreifen kannst. Abschließend stellen wir das Modell der sog. Data Commons, das sich aktuell als vielversprechende Alternative zu den gängigen Modellen herauskristallisiert.
INHALT
- Was sind Data Ownership-Modelle?
- Ownership-Modell: Proprietäre Daten
- Potentiale proprietärer Data-Ownership-Modelle
- Herausforderungen proprietärer Data-Ownership-Modelle
- Ownership-Modell: Open Data
- Potentiale von Open Data
- Herausforderungen bei Open Data
- Ownership-Modell: Data Commons
- Potentiale von Data Commons
- Herausforderungen von Data Commons
- Datenintermediäre als Vermittlungsdienst
- Beispiele von Datenintermediären
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Was sind Data Ownership-Modelle?
Data Ownership-Modelle regeln grundsätzlich, wer über Daten verfügen, darauf zugreifen und wie sie genutzt werden dürfen. Der Begriff „Ownership” meint in Bezug auf Daten also kein Eigentum wie bei physischen Gütern, sondern im Wesentlichen Nutzungsrechte und Kontrollmöglichkeiten.
Diese Modelle sind vor allem dann besonders wichtig, wenn verschiedene Akteure Daten verarbeiten möchten. Je nach Art der Daten und dem jeweiligen Verarbeitungskontext kommen unterschiedliche Ansätze zum Einsatz. Im Folgenden erklären wir die gängigsten Modelle einschließlich ihrer Vor- und Nachteile beim Einsatz im Bereich Smart City: proprietäre Daten, Open Data und Data Commons.
Data Ownership-Modelle regeln grundsätzlich, wer über Daten verfügen, darauf zugreifen und wie sie genutzt werden dürfen.
Ownership-Modell: Proprietäre Daten
Der Begriff proprietär meint, dass ein Datenhalter andere Akteure kraft seiner technisch-faktisch oder rechtlichen Verfügungsmacht von der Nutzung seiner Daten ausschließen kann und darf. Vor allem privatwirtschaftliche Unternehmen stellen ihre Daten unter Berufung auf dieses Modell in der Regel unter proprietären Lizenzen zur Verfügung, da sie damit ihre Wertschöpfungsinteressen an den Daten optimal durchsetzen können. Der diesen Modellen zugrunde liegende Gedanke der Allokationsfunktion der Märkte kann der Idee nach zu einer optimalen (i.e. effizienten) Verteilung der Daten zwischen den Marktakteuren führen.
Für die Zusammenarbeit kommunaler Verwaltungen mit Unternehmen bringen solche proprietären Data-Ownership-Modelle erhebliche Herausforderungen mit sich: Der Zugang zu Daten und Verarbeitungsrechte erfordern den Erwerb entsprechender Lizenzen, es können Abhängigkeiten von Anbietern entstehen, die Interoperabilität kann erheblich erschwert werden, und die digitale Souveränität insgesamt gefährdet sein.
Proprietäre Modelle weisen die Entscheidungsbefugnis über die Verwendung von Daten meist einer Person zu. Das sind häufig solche Personen, die aufgrund ihrer technischen Infrastruktur den Zugriff auf die Daten durch andere faktisch kontrollieren können.
Potentiale proprietärer Data-Ownership-Modelle
Proprietäre Data Ownership-Modelle können die Funktionsfähigkeit und Effektivität einer Verwaltung grundsätzlich verbessern, denn solche Daten sind häufig umfangreicher, präziser und aktueller als die Bestände in den Verwaltungen (sofern die relevanten Daten überhaupt vorliegen). Solche Daten können damit potentiell die Entscheidungsgrundlage für die Verwaltung hinsichtlich der Spezifität und Aktualität signifikant verbessern (Axelrod/Ramos/Bullied, 2022). Eine bessere Entscheidungsfindung auf Grundlage einer besseren Datenbasis hilft, die Anforderungen an den Erlass von Verwaltungsakten zu erfüllen.
Zusätzlich können Unternehmen häufig nicht nur die Daten selbst, sondern auch für die Verarbeitung erforderliche Software als Komplettlösung anbieten.
Herausforderungen proprietärer Data-Ownership-Modelle
Auf proprietären Datenmärkten stehen Datenhalter und Datennutzer oftmals in einem asymmetrischen Machtverhältnis zueinander. Proprietäre Modelle ermächtigen den Datenhalter demgegenüber zu vier Formen der Kontrolle: der Informationskontrolle, der Zugangskontrolle, der Preiskontrolle sowie der Leistungskontrolle (vgl. Staab, 2019: 177 ff.). Möchte ein Datennutzer (im Rahmen eines Vorhabens z.B. eine Verwaltung) Daten von Unternehmen (dann Datenhalter) verarbeiten, kann sich der Datennutzer in der Regel lediglich für oder gegen die vom Datenhalter festgelegten Bedingungen entscheiden.
Spiegelbildlich ergibt sich für Kommunen die Herausforderung, dass sie aufgrund der Vorgaben des kommunalen Wirtschaftsrechts ihre eigenen Daten nicht frei am Markt anbieten oder kommerziell verwerten dürfen. Dies schränkt ihre Möglichkeiten ein, wirtschaftlichen Nutzen aus ihren Daten zu ziehen oder sie unter marktüblichen Bedingungen mit privaten Unternehmen zu teilen.
Dies zieht eine Reihe verschiedener Konflikte und Problemstellungen nach sich:
Ownership-Modell: Open Data
Angetrieben durch Initiativen auf europäischer Ebene lässt sich im öffentlichen Sektor in den vergangenen Jahren ein deutlicher Trend hin zu Open Data beobachten (World Economic Forum, 2022). Als Open Data werden Daten bezeichnet, die für alle frei zugänglich und bedingungslos nutzbar sind. Sie können ohne Einschränkungen verarbeitet und sogar verbreitet werden. Darüber hinaus können solche Datensätze in der Regel zu angemessenen Reproduktionskosten zur Verfügung gestellt werden. Gemeint sind damit die Kosten, die für die Vervielfältigung und Bereitstellung der Daten anfallen (vgl. Open Knowledge Foundation, 2023).
Bislang richtet sich die Idee, Daten für die Allgemeinheit offen bereitzustellen, jedoch überwiegend an öffentliche Stellen. Begründet wird dies damit, dass die Daten mit öffentlichen Geldern (insb. Steuern) generiert wurden (vgl. Erw.gr. 3 der Richtlinie 2013/37/EU). Private Unternehmen hingegen unterliegen in der Regel keiner vergleichbaren gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung von Daten. Dies führt dazu, dass sie selbst entscheiden können, ob und in welchem Umfang sie Daten als Open Data bereitstellen. In vielen Fällen halten sie ihre Daten jedoch aus wirtschaftlichen oder wettbewerbsstrategischen Gründen unter proprietären Modellen, sodass öffentliche Stellen nur schwer oder gar nicht in der Lage sind, private Unternehmen zur Bereitstellung offener Daten zu verpflichten (siehe dazu das nachfolgend besprochene Modell der Data Commons, nach dem zunehmend auch private Unternehmen zum Teilen ihrer Daten verpflichtet werden).
Open Data ist für alle frei zugänglich und kann ohne Einschränkungen verarbeitet und sogar verbreitet werden.
Potentiale von Open Data
Der Open Data-Ansatz zielt im öffentlichen Kontext auf mehr Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten, die Förderung der Beteiligung der Bürgerschaft, der Unterstützung der Entwicklung von Innovationen sowie wirtschaftlichem Wachstum. Durch ihre öffentliche und bedingungslose Bereitstellung können Bürger:innen, Unternehmen, Forscher:innen und Entwickler:innen diese Daten nutzen, um sich zu informieren, fundiert zu entscheiden und neue Produkte bzw. Dienstleistungen zu entwickeln.
Open Data kann Innovation, Transparenz und wirtschaftliches Wachstum durch freien Zugang zu Informationen fördern.
Herausforderungen bei Open Data
Die Bereitstellung von Open Data bringt für Kommunen zahlreiche Herausforderungen mit sich, insbesondere in Bezug auf die Qualitätssicherung der Daten. Diese Herausforderungen können sowohl technischer Natur sein – etwa hinsichtlich Lesbarkeit, Interoperabilität und Metadaten – als auch inhaltliche Aspekte betreffen, wie Genauigkeit, Vollständigkeit, Relevanz und Aktualität der Daten.
Noch grundlegender sind jedoch die Herausforderungen auf organisatorischer Ebene. Eine qualitative Studie mit 18 Infrastrukturanbietern einer deutschen Großstadt zeigt, dass selbst innerhalb einzelner Organisationen kein einheitliches Verständnis von Open Data existiert, es an standardisierten Datenkatalogen sowie klaren Entscheidungsrichtlinien fehlt, ein mangelndes Verständnis und/oder mangelnde Autorität im Bezug auf rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Daten und der Aufwand und Arbeitsumfang für die Datenveröffentlichung häufig nicht zu bewerkstelligen ist (Frank et al., 2022).
Bei Open Data müssen Datenschutz, Datenqualität und eine nachhaltige Finanzierung sichergestellt werden, während gleichzeitig ein offener und freier Zugang gewährleistet sein muss.
Ownership-Modell: Data Commons
Neben proprietären Datenmodellen und Open Data gibt es auch das Konzept des Data Commons-Modells, das sich zunehmend als vielversprechende Alternative herauskristallisiert (z.B. Micheli et al., 2020). Das Data Commons-Modell beruht auf der Idee, dass Daten nicht nur von einer einzelnen Partei, sei es eine öffentliche oder private Organisation, kontrolliert werden, sondern dass grundsätzlich jeder das Recht haben sollte, mit diesen Daten einen Mehrwert zu schaffen. Dieses Recht verwirklicht sich dadurch, dass Akteure Daten teilen und dabei diskriminierungsfreie Bedingungen einhalten (v. Grafenstein, 2023).
Im Gegensatz zu proprietären Daten, bei denen die Datenhalter die vollständige Kontrolle haben, oder Open Data, bei dem die Daten ohne Bedingungen weitergegeben werden, zielt das Konzept der Data Commons darauf ab, eine faire Verteilung der Daten zu erreichen. Dies soll gelingen, indem die Wert- und Risikovorstellungen verschiedener Interessengruppen in einem bestimmten Kontext in Einklang gebracht werden.
Data Commons können auf zwei verschiedene Arten entstehen: Entweder durch eine freiwillige Verpflichtung der Datenhalter, den Zugang zu ihren Daten zu ermöglichen („bottom-up”), oder durch gesetzliche Regelungen, die eine Verpflichtung zur Datenteilung vorschreiben und gleichzeitig Strukturen schaffen, um die Interessen aller Beteiligten auszugleichen („top-down”) (vgl. Ottolia et al., 2022).
Eine Regulierung, die Data Commons-Konzepte fördert, hat das Ziel, den Wert von Daten für das Gemeinwohl zugänglich und vor allem teilbar zu machen (vgl. Monge et al., 2022). Anders als beim proprietären Modell, bei dem Daten nur einzelnen Akteuren zugänglich sind, oder dem Open Data-Modell, bei dem Daten der Allgemeinheit ohne Einschränkungen zur Verfügung gestellt werden, sieht das Data Commons-Modell vor, dass Daten zwar frei zugänglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Zwecke bereitgestellt werden. Dies bedeutet, dass die Nutzung der Daten kontrolliert und selektiv erfolgt, um das Gemeinwohl effektiv zu fördern. Dieser Ansatz wird als Datensequestrierung bezeichnet, ein Gegeninstrument zur freien Zirkulation von Daten (vgl. Beckwith et al., 2019).
Obwohl das Konzept vielversprechend ist und zunehmend in den Fokus rückt, ist es noch nicht klar definiert und es bestehen noch Unsicherheiten bezüglich seiner praktischen Umsetzung und der genauen Rahmenbedingungen. Es wird jedoch zunehmend als Modell wahrgenommen, das insbesondere die Vorteile von Open Data mit einer strukturierten und gemeinschaftlichen Nutzung kombiniert, um so sowohl den Zugang zu Daten zu verbessern als auch die Verantwortung und den Nutzen auf verschiedene Akteure zu verteilen.
Data Commons zielen auf die optimale Verteilung von Daten, indem die Wert- und Risikovorstellungen verschiedener Interessengruppen ausgeglichen werden.
Potentiale von Data Commons
Konzeptionell und praktisch bergen Data Commons-Modelle das größte Potential, Interessenkonflikte an Daten optimal aufzulösen.
Herausforderungen von Data Commons
Die wesentliche Herausforderung bei der Umsetzung von Data Commons-Modellen liegt aktuell darin, dass deren Entwicklung und Einführung mit erheblichem organisatorischen Aufwand verbunden sind. Neben der Schaffung technischer Infrastrukturen und der Festlegung rechtlicher Rahmenbedingungen müssen vor allem auch geeignete organisatorische Strukturen aufgebaut werden, die den Betrieb eines solchen Modells langfristig ermöglichen. Dies umfasst die Entwicklung von Prozessen und Regelungen für die Verwaltung der Daten sowie die Definition von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
Darüber hinaus sind diese Strukturen auf die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel angewiesen, um den Betrieb und die Weiterentwicklung der Institution zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass nicht nur die anfängliche Implementierung, sondern auch die laufenden Kosten für Personal, Technologie und rechtliche Aufsicht abgedeckt werden müssen. Für viele (insbesondere kleinere) Kommunen stellt dies eine große Herausforderung dar, da ihre Haushalte oft nicht über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um solche komplexen Modelle dauerhaft zu finanzieren und zu betreiben.
Im Hinblick auf den Data Governance Act, der solche Modelle reguliert und eigentlich auch fördern möchte, werden bereits jetzt Forderungen laut, die Hürden für die Einführung und Umsetzung solcher Modelle zu senken (vgl. Blankertz/Specht-Riemenschneider, 2021; Kühling, 2021). Diese Forderungen zielen darauf ab, bürokratische und finanzielle Hindernisse abzubauen. Durch die Reduzierung dieser Barrieren soll es leichter werden, solche Modelle in die Praxis umzusetzen und ihre Vorteile für die breite Gesellschaft zu nutzen.
Die Entwicklung, Einführung und der Betrieb von Data Commons sind mit einem erhöhten Koordinationsaufwand verbunden.
Datenintermediäre als Vermittlungsdienst
Datenintermediäre spielen eine Schlüsselrolle dabei, den Akteuren praktisch zu ermöglichen, Daten gemäß den Datenteilungsverpflichtungen miteinander zu teilen. Während gesetzliche Regelungen oft nur allgemeine Bedingungen für die Datennutzung festlegen können, erfordert ein optimaler Ausgleich der unterschiedlichen subjektiven Vorstellungen von Wert und Risiko eine genauere Definition der spezifischen Rahmenbedingungen für den jeweiligen Verarbeitungskontext.
Außerdem muss gewährleistet werden, dass der Datennutzer die festgelegten Bedingungen tatsächlich einhält. Sobald der Datenhalter seine Daten anderen Akteuren zur Verfügung stellt, verliert er die faktische Kontrolle über diese Daten (s.o. zum Wert-Risiko-Dilemma).
In dieser Hinsicht kommt Datenintermediärsdiensten beim Datenteilen eine besonders wichtige und spezialisierte Funktion zu: Sie sind entscheidend für die Umsetzung von Data Commons-Konzepten, da sie das relevante Wissen über die Daten und deren Nutzung in skalierbarer Form bündeln und es zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen sowohl den Datenteiler:innen als auch den -nutzer:innen zur Verfügung stellen. Diese Rolle können sie jedoch auch im Rahmen von proprietären oder Open Data-Ownership-Modellen übernehmen.
Im Smart City-Kontext sind Datenintermediäre besonders hilfreich, da die Identifizierung und Lösung der Interessenkonflikte, die durch unterschiedliche Wert- und Risikowahrnehmungen der beteiligten Akteure entstehen, häufig sehr komplex sind (vgl. Petras, 2021). In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Ansätze und Möglichkeiten, wie Datenintermediäre diese Herausforderungen effektiv adressieren können.
Datenintermediäre sichern die Einhaltung der Bedingungen der Datennutzung zu wirtschaftlich angemessen und nicht diskriminierenden Konditionen